Wo ist das Häufchen? (Teil 1)
Wir können den Männern nur vor den Kopf schauen. Bedeutet das aber, dass wir uns uns gar nicht mehr auf offensichtliche Signale verlassen können? Oder noch schlimmer: Müssen wir davon ausgehen, dass wir grundsätzlich angelogen werden? Immer misstrauisch sein? Damit rechnen, dass der Mann, der uns noch gestern morgen faltig und verschlafen in die Augen geschaut und Kaffee ans Bett gebracht hat, am nächsten Tag über alle Berge ist? Müssen wir uns immer fragen: Wo ist das Häufchen?
Ich lernte David über meine Arbeitskollegin Adrianna kennen. Adrianna hat einen bewundernswerten Sinn für das Schöne im Leben. Und Adrianna kennt mich und mein Beuteschema.
Es ist kein Geheimnis, dass ich glatzköpfige Männer jenseits der 40 bevorzuge. Lieber ein paar Gebrauchsspuren als taufrisch. Lieber gutes Benehmen als aufregende Hobbies. Lieber Weintrinker als Kölschvernichter.
Kollegen helfen Kollegen
Wir hatten für eine Veranstaltung Sicherheitspersonal zur Bewachung des Hauses bestellt. David gehörte dazu. Adrianna und David tauschten Nummern um sich im Fall der Fälle erreichen zu können.
Ein paar Tage später erzählte Adrianna mir auf einer Feier von David und gab mir seine Handynummer. Ich schrieb ihm eine kurze freundliche Nachricht über Whatsapp, obwohl ich so etwas noch nie getant hatte. Vielleicht weil ich es aufregend fand, einem Mann zu schreiben, den ich nicht kannte oder weil ich schon etwas angetrunken war oder weil ich in Adriannas Verkuppelungs-Talent vertrauen wollte, kann ich nicht mehr sagen. Entgegen meiner Vermutung antwortete er mir kurz darauf.
Nachdem wir pflichtgemäß ein paar Bilder tauschten, schrieben wir uns regelmäßig Nachrichten. Nicht ständig und auch nicht jeden Tag aber wir hatten fließende Unterhaltungen über Whatsapp. Tatsächlich entsprach er sehr genau meinem Typ. Adrianna hatte erschreckend gut meinen Geschmack getroffen. David hatte extrem hellblaue Augen, war groß, ziemlich gut gebaut, keine Haare und laut seiner Aussage auch ebenso keine nennenswerten Altlasten. Er drückte sich gut aus, wirkte freundlich und intelligent.
Der Mann hinter dem Smartphone
So plätscherte unsere Kommunikation mehrere Wochen vor sich hin. Wir verstanden uns toll und beteuerten uns unser gegenseitiges Interesse daran, den Anderen auch mal persönlich kennen zu lernen. Jedoch telefonierten wir erst nach 3 Monaten das erste Mal miteinander. Er war derjenige der mich fragte, ob er mich anrufen dürfe. Ich muss dazu sagen, dass ich eine absolute Telefon-Phobikerin bin. Lieber schreibe ich und unterhalte mich gerne mit Menschen direkt face-to-face. Der Gedanke mit jemandem zu Telefonieren, löst regelrechte Gänsehaut aus. Dennoch machte es Sinn, vor einem Treffen, zumindest mal die Stimme des Anderen zu hören. Hinter einem Whatsapp Chat kann jeder seine Persönlichkeit verstecken.
Wir telefonierten für eine halbe Stunde. Er hatte einen süßen polnischen Akzent, drückte sich extrem gewählt und auffällig anständig aus. Und nein, ich hatte in der Vergangenheit nicht nur mit Neandertalern zu tun. Dennoch hatte seine Wortwahl und Stimme etwas auffällig Ruhiges und Kultiviertes.
In unserem Telefonat erzählte er mir, dass er noch am gleichen Abend bis zum nächsten Morgen in seinem Auto einen geschlossenen Weihnachtsmarkt bewachen müsste. Er sagte, dass ich ihn dort besuchen, aber auch verstehen könnte, wenn ich das nicht für angemessen hielte. Ich zögerte an dem Punkt ein wenig mit meiner Antwort und so schlug er vor, dass wir uns nach den Weihnachtstagen treffen könnten.
Das Kennenlernen
Nachdem wir aufgelegt hatten, dachte ich den ganzen Tag an die Unterhaltung. Er wirkte so ehrlich, lieb und vertrauenswürdig. Ich war so fasziniert von seiner Art und Stimme, dass ich kurzfristig abends beschloss, ihn bei seinem Job auf dem Weihnachtsmarkt zu überraschen, obwohl mir meine Freundinnen natürlich davon abrieten. Gut gemeinte Tipps konnte ich aber schon immer sehr gekonnt ignorieren. So machte ich mich abends auf den Weg und schrieb ihm aber noch eine Nachricht über meine Besuche, um ihn nicht komplett zu überfallen.
Da stand er dann vor mir. Ein fast 2 Meter großer Mann und wirkte fast schüchtern und etwas aufgeregt. Was ihn in meinen Augen noch attraktiver machte als er sowieso schon war. Wir spazierten etwas, setzten uns aber kurz darauf in sein Auto und redeten über Gott und die Welt, ohne dass uns auch nur für 1 Minute die Gesprächsthemen ausgingen. Ich blieb bei ihm für die nächsten 7 Stunden.
Wo ist das Häufchen?
Auf dem Weg nach Hause rief ich Adrianna an, die einzige Person, die zu dieser Zeit überhaupt telefonisch erreichbar war, da sie bis in die Morgenstunden gearbeitet hatte. Ich erzählte ihr total geflasht von dem Date mit David. Dass wir uns wunderbar unterhalten hatten, er bei einem bekannten Fernsehproduktionsunternehmen arbeitet und nebenberuflich bei der Sicherheitsfirma tätig ist, dass er sehr familiär ist, noch nicht verheiratet war und keine Kinder hat, dass er eine entspannende Austrahlung hat.
Während ich ihr das alles so runterratterte, kam mir direkt der Gedanke auf: “Zu schön um wahr zu sein. Wo ist das Häufchen?”
Den Weg nach Hause fragte ich micht immer wieder: “Wo ist das Häufchen?” War es der Fakt, dass er sich als besonders christlichen Menschen beschrieben hatte? Tatsächlich konnte ich mich mit Glauben und Religion nie gut identifizieren. Andererseits war doch nach allem, was ich schon erlebt hatte, etwas Moralvorstellung nicht verkehrt. Wenn ich diesen Mann nur haben konnte indem ich eine Dreiecksbeziehung mit ihm und Jesus Christus einging, warum nicht?
Tage nach dem ersten Date
Ich bekam von David noch eine Nachricht darüber, wie schön er den Abend mit mir fand und dass er mit den Gedanken an mich später schlafen gehen würde.
In den folgenden Tagen war Weihnachten und ich verbrachte die Tage bei meiner Familie und er bei seiner. Wir schrieben weiterhin regelmäßig, bis er mir Anfang Januar erzählte, dass einer seiner Brüder plötzlich verstorben war. Verständlicherweise hatte unser Kontakt in dem Moment keine Priorität mehr und ich sagte ihm, dass er nun erst einmal in Ruhe trauern solle und sich melden könne, wenn er wieder soweit sei. Ich hörte bis März nichts mehr von ihm. Als er sich wieder meldete, verabredeten wir sofort ein Treffen. Wir gingen in eine Bar am Rhein. Meine Sorge war, dass der anfängliche Zauber nach der langen Zeit verflogen sein könnte, aber das Gegenteil war der Fall. Wir redeten wie beim ersten Date ohne Punkt und Komma und er sagte mir mehrfach wie glücklich er darüber sei, dass wir uns wieder getroffen haben und dass er ständig an mich gedacht habe.
Zweiter Anlauf
Nach diesem Tag nahm unser Verhältnis über die folgenden 2 Monate seinen Lauf. Es war nahezu perfekt. Jeder Autor hätte diese Phase als Vorlage für seinen neuen Kitsch-Roman verwenden können. Wir trafen uns regelmäßig, er fragte mich ständig nach neuen Dates, beteurte in diversen Whatsapp Nachrichten wie wichtig ich ihm geworden sei. Es war Sommer, es war schön, ich fühlte mich wohl, wenn wir uns einen Tag mal nicht sahen, telefonierten wir. Wir gingen es langsam an, was sich für mich richtig anfühlte. Küsse tauschten wir erst nach mehreren Dates. Wir gingen miteinander ins Bett erst nach weiteren diversen Dates. Treffen gab es sowohl bei ihm als auch bei mir Zuhause. Wir gingen aus und hatten Spaß miteinander. Es hatte einfach gefunkt.
Zwischen Kennenlernen und Verliebtsein und Häufchen
Nach nur wenigen Wochen erzählte er mir, dass er mit seiner Mutter über mich gesprochen hatte. Das überraschte mich, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nicht länger mit meiner Familie darüber gesprochen, dass es da jemanden in meinem Leben gab. Dass ich jemanden kennen gelernt hatte, ja, aber darüber hinaus eben noch nicht. Ich war vorsichtig geworden. Die Erfahrung hatte mir gezeigt, dass wenn ein Mann zu perfekt scheint, wahrscheinlich keine Hochzeits- sondern Alarmglocken läuten werden. Na gut, dachte ich mir, wenn er schon mit seiner Mutter über mich spricht, meint er es wohl ziemlich Ernst. Das Gefühl verstärkte sich, als er mich als seine Freundin bezeichnete und mich vor einem seiner Freunde auch als diese vorstellte.
Ich gehöre nicht zu den Menschen, die ein klärendes Gespräch zur Festlegung eines Beziehungsstatus brauchen, notierte mir aber gedanklich, dass wir wohl in die nächste Phase übergangen waren. Er lud mich zu einem Sommerfest mit seinen Arbeitskollegen ein und besuchte mich auch auf meiner Arbeit. Unser Amor Adrianna bekam dann eingehend das Ergebnis ihrer Verkupplungsaktion präsentiert und sagte mir später unter vier Augen: “Dieser Mann ist wirklich verliebt in dich.” Ich erzählte David davon und er sagte nur: “Und damit liegt sie völlig richtig.”
Happy End?
Er war unglaublich bemüht um mich und ich gab ihm ebenfalls das Gefühl, dass Gleiche zu wollen wie er, gab ich mich aber noch etwas zurückhaltender. Und irgendwo in den Tiefen meines Hirns keimte langsam erneut die Frage auf: “Wo ist das Häufchen?” Es war zu perfekt. Er war zu perfekt. Adrianna sagte mir auf meine Zweifel hin, dass ich vielleicht dieses mal auch einfach Glück habe. Es verdient hätte, jemanden wie ihn zu finden und ich es annehmen solle. Ich befreite mich von den negativen Gedanken, sagte mir immer wieder, dass ich es tatsächlich verdient hatte mein Glück zu finden. Ich lies mich fallen in die Arme dieses großen schönen Mannes, der mich aber mindestens noch viel schöner fand, als ich ihn.
Wer jetzt an ein Happy End glaubt, darf gerne von seinem Disney-Karussel springen und mir in die Realität folgen. Wer sich auch fragt: Wo ist das Häufchen?, darf hier weiterlesen: Das Häufchen stinkt (Teil 2)